Eine Kinderklinik wurde angeklagt, für den häuslichen Tod eines Säuglings verantwortlich zu sein, da eine Bronchopulmonale Dysplasie und Hospitalinfektionen der Lunge nicht erkannt worden seien.
Das Gericht urteilte, dass keine Behandlungsfehler vorgelegen haben und dass auch keine Hygienefehler nachweisbar waren, nachdem gutachterlich folgende Befunde erfasst und eingeschätzt wurden:
Definitionsgemäß lag keine Bronchopulmonale Dysplasie vor, da keine Beatmung und nur eine einmalige kurzzeitige Sauerstoffgabe erfolgt sind sowie da in bzw. ab der „36. Schwangerschaftswoche“ (= 2. Lebenswoche des frühgeborenen Kindes) keine Sauerstoffgabe erfolgte und auch nicht indiziert war.
Autoptisch wurden zwar umschriebene zystische Lungenfehlbildungen gefunden, die sich insbesondere im Bereich der Oberfelder der Lunge befanden. Aus gutachterlicher Sicht waren diese Zysten im Vergleich zu publizierten Fallserien mit umschriebenen zystischen Lungenfehlbildungen nicht als Todesursache zu bewerten. Zu keinem Zeitpunkt bestand während des Aufenthaltes in der Kinderklinik … eine Indikation zur Thorax-Röntgendiagnostik, so dass es sich um einen autoptisch erfassten Zufallsbefund ohne wesentliche klinische Relevanz handelte.
Für eine Lungenentzündung gab es im Ergebnis der rechtsmedizinischen Untersuchung keinen Anhalt. Die postmortalen Bakteriennachweise in der Lunge und in den Bronchien sind als bakterielle Besiedlungen zu betrachten, die entsprechend der autoptischen Befunde nicht zur Pneumonie geführt haben.
Aus gutachterlicher Sicht kann deshalb beim plötzlichen Tod dieses Kindes mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einem plötzlichen Kindstod (SIDS) ausgegangen werden. Dafür sprechen
– der Ereigniszeitpunkt bzgl. des Lebensalters (2. Monat = Häufigkeitsgipfel SIDS) und
– die Tageszeit des Ereignisses (die meisten SIDS-Fälle erfolgen nachts und im Schlaf),
– der Blutaustritt aus der Nase, die akut geplatzten Blutgefäße in der Lunge und das hämorrhagische Ödem in der Lunge (alle drei Befunde werden gemäß Sperhake 2014* als Folge der leider vergeblichen Atemanstrengungen in der Sterbephase aufgefasst)
– sowie insbesondere auch die rechtsmedizinisch beschriebenen petechialen Blutungen im Bereich des Herzbeutels und der Pleura.
Die petechialen Blutungen im Bereich der Augenbindehäute und im Bereich der Schleimhaut des Unterkiefers sind am ehesten als Reanimationsfolge zu bewerten, da äußere Gewalteinwirkungen aus der Sicht der Rechtsmediziner aus der Univ. … ausgeschlossen wurden.
Da aus gutachterlicher Sicht keine nachvollziehbare organische Todesursache nachgewiesen wurde sowie da aus rechtsmedizinischer und staatsanwaltlicher Sicht keine Hinweise für eine Straftat gefunden wurden, werden aus gutachterlicher Sicht die Kriterien für die Ausschlussdiagnose SIDS erfüllt.
* Literaturnachweis: Sperhake JP, Kleemann WJ, Rognum TO: Untersuchung der Auffindesituation und Obduktion. In: Kurz/ Kenner/ Poets/Kerbl/Vennemann/Jorch: Der plötzliche Säuglingstod. Grundlagen, Risikofaktoren, Prävention, Elternberatung. Springer-Verlag Wien Heidelberg, 2014, 2. Auflage, Seiten 35-60.